die GINSBURG
Verein zur Erhaltung der Ginsburg e.V.

Archäologie auf der Ginsburg

In 2018 jährte sich die Rekonstruktion des Bergfrieds auf der Ginsburg zum 50. Mal, welches auch gleichzeitig den Abschluss der vorangegangenen Entschuttungsarbeiten darstellte. Ob und in welchem Maße der Bergfried und die übrigen Rekonstruktionsarbeiten der 60er Jahre der historischen Ginsburg, die sich an ihrem Ort seit mehreren hundert Jahren befand, entsprechen, beschäftigt nicht nur die Besucher der Burg. Im Rahmen von Recherchen sind wir auf viele verlorengeglaubte Unterlagen und Dokumente zu den Entschuttungsarbeiten in den 1960er Jahren gestoßen. Auch konnten wir aus den bisher getätigten Funden noch einiges über die Geschichte der Anlage herleiten.

Uni Marburg übernimmt Forschung und Ausgrabung
Wir waren und sind unendlich dankbar, dass wir die Uni Marburg in 2019 gewinnen konnten Forschungs- und Ausgrabungsarbeiten an der Ginsburg durchzuführen, welche zusammen mit der neuerlichen Auswertung der Altfunde gleichzeitig die letzten archäologischen Erkenntnisse zur Ginsburg sind.

Wir stellen hier drei Themen vor

Entschuttungsarbeiten der 1960er Jahre und Wiederaufbau

Archäologische Funde und deren Einordnung

Forschungs- und Grabungsarbeiten der Uni Marburg im Jahr 2020

Entschuttungsarbeiten der 1960er Jahre

Nachdem bereits 1930 umfangreiche archäologische Untersuchungen auf der Ginsburg stattgefunden hatten, entstand in den späten 1950er Jahren der Plan, die Burg komplett freizulegen und an ihrer höchsten Stelle einen Aussichtsturm zu errichten. Die Freilegungsarbeiten begannen im Juli 1961 und wurden in ehrenamtlicher Tätigkeit durch die Mitglieder des Ginsburg-Vereins in Absprache mit der Denkmalpflege durchgeführt. Die Arbeiten sind nur teilweise dokumentiert. Begonnen wurde mit der Freilegung im Bereich des Burggrabens und des Tores, in den nachfolgenden Jahren wurden zuerst die tiefer gelegenen Teile der Burg und anschließend den gesamten Burgfelsen entschuttet. Parallel zu den Freilegungen wurden Teile des Mauerwerks gesichert und andere Bereiche vollständig neu aufgemauert, wobei hier vermutlich Mauern aus mehreren Bauphasen gleichzeitig wieder aufgebaut wurden, so dass sich heute die ursprüngliche Situation nicht mehr rekonstruieren lässt. Den Höhepunkt und vorläufigen Abschluss bildete die Einweihung des an der Stelle des ehemaligen Bergfrieds in freier Rekonstruktion errichteten Aussichtsturms im Jahre 1968.

Kachelfragmente Kachelofen

Datierung: 1562 (grüne Kacheln)

Fundort: divers, hauptsächlich Vorburg

Kachelöfen stellten im Mittelalter und der frühen Neuzeit Statussymbole dar. Nur der Adel und reiche Bürger konnten sich diese leisten. Die glasierten Kacheln stammen aus der frühen Neuzeit. Durch den eingearbeiteten Namenszug und Jahr der Produktion kann dieser Ofen als Anfertigung von Hans Berman identifiziert werden, der ein bekannter Hersteller für Kachelöfen in jener Zeit war.

Archäologische Erkenntnisse aus den Funden der Altgrabung 1962/63 und der Nachfolgejahre

Die Anfänge der Feste Ginsberg, gemeinhin auch als Ginsburg bezeichnet, liegen im Dunkeln der Geschichte. Neben zu Verfügung stehenden Schriftquellen kann die Archäologie bestehende Lücken und Zeitabschnitte erhellen, über welche keine schriftlichen Quellen existieren; sie kann über die Entwicklung von Kriegsführung, Wirtschafts- und Lebensweise zusätzlich zu den erhaltenen Urkunden Auskunft geben.

Durch historische Quellen wissen wir von der Existenz der Burg bereits im ausgehenden 13. Jh., da 1292 Adolf von Nassau für die Stimme des Kölner Erzbischof für seine Wahl zum römisch-deutschen König u.a. die Anlage an jenen verpfändete. Eine naheliegende und in der historischen Forschung weitgehend etablierte Vermutung geht davon aus, dass schon im ersten Teilungsvertrag des Hauses Nassau 1255 die Ginsburg als „nowum Castrum“ (neue Burg) erwähnt wird. Für über die Quellenlage hinausgehende archäologische Untersuchungen sind zeittypische Artefakte von großer Bedeutung.

Keramik
Eine besondere Rolle nimmt hier Keramik ein, die vom jeweiligen Zeitgeschmack bestimmt wurde und sich im Laufe der Jahrhunderte stark veränderte. Durch die Auswertung der hauptsächlich bei der vor allem die Kernburg betreffenden Ausgrabung 1962/63 geborgenen Funde konnte der Bau der Anlage um 1200/ins frühe 13. Jh. datiert werden. Dies würde zur Nennung der Ginsburg als „nowum Castrum“ passen und bestätigen, dass die Anlage 1255 noch relativ neu war. Weiterhin deuten die Funde gegen das Bestehen eines früheren Vorgängerbaus, da sich keine Warenarten finden, die eindeutig ins 11. oder 12. Jh. datierten. Die ältesten vereinzelt auftretenden Keramiken lassen sich sowohl ins 12. als auch noch ins beginnende 13. Jh. einordnen (auch muss eine Nutzungsdauer von teilw. einigen Jahrzehnten berücksichtigt werden). Ein zu den ältesten Funden zählendes Fragment wurde im Sockel des ursprünglich viereckigen Bergfriedes gefunden. Vermutlich befand sich die Burg bereits von Beginn an in nassauischem Besitz, ihre Errichtung kann auf dem Hintergrund zunehmender Macht des Kölner Erzbischofs im nördlichen Siegerland gesehen werden. Ebenfalls sicherte die Anlage die Kontrolle über die nahegelegenen aus dem kurkölnischen Sauerland ins Siegerland führenden Wege. An in großen Mengen auftretenden Waren des 13. Jh. sind Grauware, Beienbacher Ware und frühe Siegburger Ware zu nennen. Grauware (oder hartgebrannte graue Irdenware) stellt eine weitverbreitete lokal hergestellte Keramik dar, sie ist reduzierend (ohne Sauerstoff) gebrannt worden. Grauware tritt vom 12. bis zum 14. Jh. auf, allgemein zeigen jüngere Produktionen aber eine feinere Magerung (dem Ton beigefügte Sandkörner, Gesteinsbruchstücke). Es findet sich ebenfalls als Beienbacher Ware anzusprechende Keramik, die in der nahe gelegenen Töpferwerkstatt Beienbach produziert wurde. Große Bedeutung seit dem späten 13. Jh. erlangte Siegburger Ware, welche als aus dem Rheinland importierte teurere Ware ein Luxusprodukt darstellte und sich beispielsweise auf dem wohlhabenden Altenberg bei Müsen in großen Mengen fand. Auch für die Ginsburg bescheinigt sie einen gehobenen Lebensstandard der damaligen Zeit. Zum Teil zeichnen sich einzelne Funde durch besondere Größe der Gefäße und besonderes Dekor aus. Typisch für die frühe Siegburger Ware ist die rote Engobe, mit der sie überzogen ist, sowie der bläuliche Bruch, in welchem die Magerung noch immer auszumachen ist. Häufig finden sich als Boden die typischen Wellenfüße. Die Keramik wurde an bereits schnell drehenden Töpferscheiben hergestellt und der Fuß angesetzt. Im Laufe des späten Mittelalters nahm der Versinterungsgrad und die Härte des sog. Faststeinzeuges zu. So finden sich verstärkt hellrotgeflammte und schließlich weiße Erzeugnisse, die sehr gleichmäßig gebrannt wurden. Zum Formenspektrum gesellte sich der Trichterhalsbecher hinzu, der vor allem im 15. bis 17. Jh. auftrat. Dieser besitzt neben einem Wellfuß einen namensgebenden trichterförmigen Hals und zeigt oft Medaillons als Verzierung. Ebenfalls ins späte 16. Jh. fällt bereits die Verwendung von qualitativ hochwertig gearbeitetem Westerwälder Steinzeug, welches im Kannenbäckerland hergestellt wurde und sich durch eine blaue Glasur auszeichnet. Dieses tritt an die Stelle der Siegburger Erzeugnisse, da die dortigen Werkstätten im Zuge des Dreißigjährigen Krieges einen starken Niedergang erfuhren und ihre Tätigkeit zum größten Teil ins Kannebäckerland verlagerten.

Ebenfalls in die neuzeitliche Phase der Burg fällt die Verwendung von Schankflaschen und mindestens einer Kugelflasche, die vermutlich zur Aufbewahrung von Wein diente. Diese niederdeutschen/niederländischen Erzeugnisse finden sich seit dem späten 17. Jh., sind aber eher im 18. und 19. Jh. verbreitet.

Bedenkt man die Aufgabe der Ginsburg nach 1683, so scheint es sich am ehesten um frühe Objekte zu handeln. Diese wurden bisher nur in geringer Zahl gefunden, sodass sie dahingehend interpretiert werden können, dass die landesherrliche Burg in der frühen Neuzeit ebenfalls auf dem neusten Stand der Mode war. Ebenso verhält es sich mit der Küche, die der Landesherr und seine Gäste hier erfuhren. Der Fund von Austernschalen belegt früher als der am Unteren Schloss in Siegen noch fürs 17. Jh. diesen barocken Luxus. Hinweise neben der bereits behandelten Keramik, die gleichfalls auf einen gehobenen Lebensstandard in den vorherigen Jahrhunderten deuten, sind in den Kachelöfen zu sehen, von denen sich mehrere finden. Die Spitzkacheln des frühsten noch ins Mittelalte datierenden Ofen fanden sich bei den Grabungsarbeiten 1962/63 in großer Zahl. Auch hier erkennt man eine Parallele zum nahe gelegenen Altenberg. Der spätere Kachelofen von 1562, der ebenfalls den Namen des Herstellers „Berman“ trägt zeichnet sich durch reichverzierte glasierte Kacheln aus.

Betrachtet man die heute in restauriertem Zustand wieder vorliegenden Metallfunde so bestehen diese hauptsächlich aus Eisenobjekten. Unter diese fallen Gebrauchsgegenstände, die zum Teil Aufschluss über die Wirtschaftsgeschichte der Anlage geben, eine Vielzahl an Mauerankern und vor allem vom neuzeitlichen, schiefergedeckten Dach des Bergfriedes stammende Nägel sowie Reste von Waffen. Vor allem an Armbrustbolzen wurden weit mehr als 100 Stück nordwestlich der Kernburg gefunden. Sie geben gleichermaßen wie angetroffene Brandschichten Hinweise auf militärische Auseinandersetzungen des späten Mittelalters, jedoch fallen Aussagen aufgrund unzureichender Dokumentation der Altgrabung schwer.

Auch einige wenige Edel- und Buntmetallfunde wurden gemacht, darunter zwei mittlerweile verschollene Münzen, von welchen eine den Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg zeigt und in Siegen geprägt wurde (zwischen 1275 und 1297), während die andere ein unter Graf Wilhelm II von Berg geprägter Weißpfennig ist und in die Zeit zwischen 1360 bis 1408 datiert. Hervorzuheben ist darüber hinaus ein Sporn eines unbekannten adligen Besitzers, welcher die Reste von Vergoldung aufweist. Leider können die meisten Funde der Altgrabung nicht mehr einzelnen Fundpunkten sowie Schichten zugeordnet werden, über welche ebenfalls die Baugeschichte der Anlage besser hätte rekonstruiert werden können.

Kugelflasche

Datierung: wahrscheinlich spätes 17. Jh., Vergleichsobjekte finden sich auch rezent

Fundort: unbekannt

Diese als Vorratsgefäß genutzte Flasche, in der vermutlich Wein oder Likör aufbewahrt und möglicherweise sogar hergestellt wurde, stellt einen relativ ungewöhnlichen Fund für die Region dar, da wenige Vergleichsfunde aus England, Norddeutschland oder den Niederlanden bekannt sind. Auf dem Hintergrund der Beziehungen der Region zu den Niederlanden ist eine Herkunft des Objekts aus der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen durchaus wahrscheinlich. Auch hier ist eine spätere Datierung möglich, auf dem Hintergrund des historischen Kontextes aber eher unwahrscheinlich.

Forschungs- und Grabungsarbeiten der Uni Marburg in  2020