Hans Hübner und die Ginsburg –
Sage und geschichtliche Wahrheiten

Eng mit der Ginsburg verbunden ist die Sage vom einäugigen Räuber oder Raubritter Hans Hübner, der auf der Burg und im Umland sein Unwesen getrieben haben soll.

Der Sage nach lebte auf der Ginsburg dereinst ein wilder Ritter, Hans Hübner, mit seiner Frau und seinem Kind. Dieser hatte einen Priester, der seinem Herrn an Schlechtigkeit in nichts nachstand. Dieser Priester hatte ein Auge auf die Frau Hübners geworfen und stellte ihr regelmäßig nach, was Hübner nicht merkte, da er mit seinen Kumpanen zechte.

Eines Abends versuchte der Priester mit Gewalt, Hübners Frau an sich zu reißen, doch diese entwickelte in ihrer Angst schier unglaubliche Kräfte und konnte sich losreißen. Doch der Priester holte sich Spießgesellen zu seiner Unterstützung, und sie schafften die Frau ins Verlies und mauerten sie dort ein. Doch war die Tat beobachtet worden, und wurde dem Bruder der Frau, der sein Schloss auf dem Hohenseelbachskopf hatte, gemeldet. Dieser befreite daraufhin unbemerkt seine Schwester.

Dem Hübner, der davon wegen eines Zechgelages nichts mitbekommen hatte, erzählte der Priester, dass seine Frau krank sei, und ein paar Tage später, dass sie verstorben sein. Nur kurze Zeit später heiratete Hübner daraufhin die Schwester des Priesters, und das schändliche Leben auf der Burg ging weiter.

Als der Priester nun auch noch den Sohn des Hübner aus erster Ehe umbringen wollte, wurde dieser auf unbekannte Art von seinem Onkel gerettet.

Der Hohenseelbacher unternahm vorerst nichts, doch als Hübners Sohn herangewachsen und zum Ritter geschlagen worden war, erzählte sein Onkel ihm die ganze Geschichte. Daraufhin verklagte der Sohn seinen eigenen Vater vor dem Femegericht, das den Hübner und seine Genossen zum Tod durch den Strang verurteilte. Doch zu sehr fürchteten alle den grausamen Hübner, so dass dieser weiter in Saus und Braus auf der Ginsburg leben konnte. Weiterhin überfiel er alle Bauern im Umkreis und raubte Ernte und Vieh, und wer sich wehrte, wurde niedergeschlagen.

Tagsüber beobachtete der einäugige Hübner von der Burg aus das Tal, und wenn er ein lohnenswertes Ziel sah, ritt er mit seinen Spießgesellen den Berg hinab, die Reisenden zu überfallen. „Helloh, der Teufel shickt uns, Leute“, soll er den Überfallenen zugerufen haben.

Doch irgendwann wandten sich einige der Leidtragenden an einen tapferen Ritter in Dillenburg, den „Schwarzen Christian“, und baten ihn um Hilfe.

Dieser holte in der Umgebung Erkundigungen ein, und in Afholderbach traf er den Hübner, den er nicht kannte, in der Schmiede, wo dieser an einem Rad lehnte und sich sein Pferd beschlagen ließ. Als Christian ihn fragte, was Hübner mache, antwortete dieser: „Der liegt auf dem Rad.“, er sei also gerädert, also hingerichtet worden. Auf Christians Nachfrage „Seit wann?“ entgegnete er: „Seit heute.“. Dann ließ er den Schmied sein Pferd beschlagen, wies ihn aber heimlich an, die Hufeisen verkehrt herum anzubringen. Dann ritt Hübner schnell hinfort, und der schwarze Christian verlor ihn, da er da er durch die Spuren der Hufeisen verwirrt war.

Um den Hübner zu stellen, überfiel Christian nun die Gesellen und das Vieh des Hübner auf der Ginsberger Heide. Als dieser nun zu deren Schutz herbeikam, entspann sich ein fürchterlicher Kampf, in dessen Verlauf Hübner und seine Leute fielen. Sodann beerdigte man Hübner unter der nach ihm benannten Eiche und zerstörte die Ginsburg.

In einer anderen Fassung der Sage wird der erste Teil komplett weggelassen und lediglich allgemein auf die Räubereien des Hans Hübner hingewiesen. Hier ist es dann auch nicht der schwarze Christian selber, der Hübner in der Schmiede entdeckt, sondern sein Knecht Hanns Flick.

Ob es tatsächlich eine Person gab, die als Vorbild für die Figur des Hans Hübner dienen konnte, ist eher unwahrscheinlich, wenngleich es zwei Fingerzeige gibt:

Zum einen ist hier die Person des 1443 verstorbenen Graf Johann II. von Nassau zu nennen, der den Beinamen „mit der Haube“, also im weitesten Sinne „Hübner“ getragen hat und von der Geschichtsschreibung früher gerne als „Raufbold“ bezeichnet wurde. Bei genauerer Betrachtung lässt sich jedoch nicht verifizieren, dass Graf Johann gewalttätiger gewesen ist als seine Zeitgenossen – und gegenüber seinen eigenen, ihm gegenüber abgabepflichtigen Untertanen schon gar nicht.

Der zweite Fingerzeig mag ebenso wenig überzeugen: Graf Johann der Ältere von Nassau weist seinen Vogt zu Burbach am 16. Februar 1593 im Rahmen von Streitigkeiten an, Erkundigungen über die Abstammung derer von Langenbach auf Haus Burbach einzuziehen. Vier Tage später berichtet dieser dem Grafen: „Auch bin ich berichtet, daß zwei Knechte von Gerhard Langenbachs Geschlecht bei dem Churfürsten und Ertz Bischoff von Cöln vor Zeiten geritten haben sollen, welche uneins mit dem Bischof worden und deswegen von ihm gezogen. Danach sie vf die Cölnische [d.h.: im Gebiet des Erzbischofs] geraubet hatten, das der Bischof ahn den Heubener [d.h.: Hübner!], so vf dem Ginßberg gewonet haben soll, geschrieben und begert, daß er die zwei Räuber fangen solle. Daruff der Heubener sie angegriffen und gen Siegen gefenglich führen, auch sie beide daselbsten richten lassen vnd hat sich ihrer niemands ahnnehmen wöllen.“.

Problematisch an diesem Bericht ist jedoch, dass es keinen weiteren Hinweis auf einen Amtmann oder Burggrafen eines solchen Namens auf der Ginsburg gibt und der Hübner dieser Quelle augenscheinlich eher auf der Seite von Recht und Ordnung stand.

Ein Dillenburger Ritter oder gar Graf mit Namen „Christian“ ist im Mittelalter nicht fassbar, erst im 18. Jahrhundert.

Vielleicht handelt es sich hier um eine Sage aus allgemein verbreiteten Versatzstücken, die durch die Trümmer der Burgruine auf dem Schlossberg oberhalb von Grund inspiriert war? Vielleicht sind es aber auch mehrere verschiedene Personen, deren Verhalten zur Erfindung einer einzigen Gestalt, des Hans Hübner, beigetragen haben, so wie es vermutlich auch bei seinem englischen Namensvetter Robin Hood, ebenfalls ein „Hübner“ oder „Behüteter“, der Fall ist.

Olaf Wagener

Phantasiedarstellung von Hübner und Flick. Aus: Bernhard Görnig, Sagen aus dem Siegerland, Kreuztal 1991, S. 26.

02_Huebner: Phantasiedarstellung von Hübner und dem „Schwarzen Christian“. Aus: Adolf Wurmbach, Siegerländer Sagen, Siegen 1967, S. 60-63.

Literaturhinweise

Die Langfassung der Sage findet sich in Wilhelm Schlüter, Auf Sagenpfaden im Siegerland, Siegen 1933, S. 7 f. Die Kurzfassung ist abgedruckt in Adolf Wurmbach, Siegerländer Sagen, Siegen 1967, S. 60-62 sowie Bernhard Görnig, Sagen aus dem Siegerland, Kreuztal 1991, S. 25-27.

Der Hinweis auf Graf Johann II. von Nassau bei Heinz Stötzel, Der Raubritter von der Ginsburg. Johann Hübner – Mythos und Wahrheit – In Keppel begraben?, in: Unser Heimatland 65 (1997), S. 128.

Der Hinweis auf die Nachricht von 1593 bei Gerhard Scholl, Unsere Ginsburg, Ginsberg und Siegen 1968, hier S. 25 f.

Eine Kontextualisierung im Rahmen der regionalen Adelsgeschichte bzw. dem Phänomen des Raubrittertums bei Frank Neumann, „Raubritter“. Versuch einer Beschreibung und regionaler Spurensuche, ungedr. Staatsexamensarbeit, Universität Siegen 2000.