Leben und Wirken Wilhelms von Oranien

Wilhelm von Nassau (im Folgenden werden wir ihn „Wilhelm von Oranien“ nennen) wurde am 24. April 1533 in Dillenburg als Sohn von Wilhelm dem Reichen von Nassau und Juliana zu Stolberg geboren. Doch der heutige Eindruck Dillenburgs als eines abseits gelegenen Kleinstädtchens und der Grafschaft Nassau als eines vermeintlich unbedeutenden Territoriums täuscht: Schon seit dem 12. Jahrhundert hatten die Grafen von Nassau zwischen Mittelrhein, Main, Sieg und Wetterau durchaus bedeutsame Herrschaftsgebiete erringen können, und trotz der Teilung zwischen der walramischen und der ottonischen Linie des Hauses im Jahre 1255 blieben sie ein politisch mächtiges Geschlecht, das mit Adolf von Nassau von 1292 bis 1298 sogar den römisch-deutschen König stellen konnte.

Im Jahre 1509 teilte Graf Johann V., Großvater Wilhelms von Oranien, die Territorien der ottonischen Linie erneut, nämlich zwischen Wilhelm dem Reichen, der die nassau-dillenburgischen Stammlande bekam und seinem älteren Bruder Heinrich III., der die mittlerweile erworbenen niederländischen Besitzungen erhielt – ein entscheidendes Ereignis für die Zukunft Wilhelm von Oraniens.

Graf Wilhelm der Reiche lehnte sich eng an das habsburgische Kaiserhaus an, da er von Kaiser Karl V. Unterstützung erhoffte im Streit mit dem Landgrafen von Hessen um das Erbe der ausgestorbenen Grafen von Katzenelnbogen am Mittelrhein. Diese Anlehnung und seine herausragende Rolle im so genannten „Wetterauer Grafenverein“, einer Einung reichsunmittelbarer Herren und Grafen im Bereich der Wetterau, sollten ebenfalls maßgeblich für Wilhelms Zukunft werden.

Durch die Heirat von Heinrich III. mit Claude von Chalon wurde dieser Herrscher über das kleine Fürstentum Orange in Südfrankreich. Nach dem frühen Schlachtentod seines Sohnes und Erben René von Chalon am 18. Juli 1544, der zugleich auch Statthalter von Holland, Seeland, Utrecht und Gelderland war, wurde Wilhelm sein testamentarischer Erbe.

Aufgrund der großen Bedeutung der von ihm ererbten Besitzungen und Ämter brach nun eine neue Episode im Leben des jungen Wilhelm an – doch um diese verstehen zu können, müssen wir einen kurzen Blick auf die Entwicklung in den Niederlanden seit der Mitte des 15. Jahrhunderts werfen: Das Gebiet der heutigen Niederlande und Belgiens war in der Mitte des 15. Jahrhunderts Teil des Herzogtums Burgund, und gelangte auf dem Erbwege – und nach einem militärischen Konflikt mit Frankreich – in die Hände der Habsburger. Noch aus der burgundischen Zeit lagen viele Privilegien und Übereinkünfte vor, die regelten, dass die Stände, also sozusagen eine „Volksvertretung“ im Sinne des späten Mittelalters, nicht unerhebliche Rechte hatten, beispielsweise im Bereich der Erhebung von Steuern, die der Landesherr nur mit Zustimmung der von ihm einberufenen Stände erheben durfte. Diese Stände, und auch die Statthalter als Vertreter des Landesherrn, waren traditionell Mitglieder des heimischen, eingesessenen Adels – Aspekte, die zu Konflikten führten, als König Philipp II. von Spanien ab den 1560er Jahren versuchte, eine zentralisierte Verwaltung für sein gesamtes Königreich aufzubauen.

Der elfjährige Wilhelm kam im Frühjahr 1545 nach Breda, wo er einen eigenen Hof unterhielt, der allerdings finanztechnisch Margarethe von Parma zugeordnet war, und wurde dort nicht nur beispielsweise in Sprachen sondern auch in den ritterlich-höfischen Künsten der Zeit ausgebildet.  Ein weiterer wichtiger Aspekt in seiner neuen Umgebung war auch der Wechsel seiner Religion: Wilhelm war in Dillenburg in eine protestantische Familie hineingeboren worden, doch musste er im Rahmen seiner Stellung im Gefüge der Herrschaft der Habsburger zum Katholizismus konvertieren. Allerdings bestehen durchaus Zweifel, ob Wilhelms Konversion tatsächlich einer tieferen Überzeugung entsprang, oder eben rein den herrschaftlich-dynastischen Notwendigkeiten gehorchte.

 

Im Jahre 1551 heiratete Wilhelm im Rahmen einer prunkvollen Zeremonie Anna von Buren, die erste seiner vier Ehefrauen, und am 19. Dezember 1554 wurde sein ältester Sohn Philipp Wilhelm geboren, der später noch eine traurige Rolle spielen sollte.

Einen entscheidenden Umbruch in der Geschichte der Niederlande und dem Leben Wilhelms sollte das Jahr 1555 bringen, als Kaiser Karl V. am 25. Oktober zugunsten seines Sohnes Philipp II. als Herr der Niederlande abdankte, der im Januar 1556 auch König von Spanien wurde.

Zu Beginn gestaltete sich das Verhältnis zwischen Wilhelm und Philipp II. durchaus verheißungsvoll. So berief dieser Wilhelm im November 1555 in den Staatsrat und verlieh ihm im Januar 1556 sogar den Orden vom Goldenen Vlies – eine der höchsten Auszeichnungen, die ein Adeliger erwarten konnte.

 

Im August 1559 verließ Philip II. die Niederlande und ging nach Spanien, zur Generalstatthalterin in den Niederlanden setzte er seine Halbschwester Margarethe von Parma ein. Während Wilhelm von Oranien Statthalter von Holland, Seeland und Utrecht wurde. Um der zunehmenden Verbreitung von Reformierten und Calvinisten Einhalt zu gebieten, ersann Philipp II. zu dieser Zeit Pläne zur Neueinteilung der Bistumsgrenzen in den Niederlanden: Durch eine größere Zahl von kleineren Bistümer sollte der Zugriff der kirchlichen Obrigkeit auf die Entwicklungen vor Ort gestärkt werden – ein Vorhaben, das auf Seiten der Protestanten auf entschiedenen Widerstand stieß. Zur Umsetzung dieses Vorhaben stellte Philipp. II. der Generalstatthalterin Antoine de Granvelle als Minister zur Seite, den er 1560 zum Erzbischof von Mecheln ernannte, und der 1561 Kardinal wurde.

Bereits 1561 beklagte sich der niederländische Hochadel über Kardinal Granvelle und den aufgrund seiner Maßnahmen mangelnden Einfluss auf die Regierungsgeschäfte. Eine Rolle mag dabei auch gespielt haben, dass mit Granvelle ein Landesfremder maßgeblich in die Regierungsgeschäfte eingriff, was den niederländischen Traditionen zuwiderlief.

Auch in der Folgezeit wuchsen die Spannungen und Konfrontationen zwischen den verschiedenen Konfessionen an. Im Rahmen dieser angespannten Situation – den konfessionellen Spannungen einerseits und der zunehmenden Missachtung der bisherigen politischen Traditionen durch Granvelle andererseits – bildet sich im Jahre 1562 eine Liga des niederländischen Hochadels unter Führung von Wilhelm von Oranien sowie den Grafen Lamoral von Egmont und Philipp von Hoorn, die im März 1563 den Rückzug Granvelles forderten und in der Folge ab August 1563 den Treffen des Staatsrats fernblieben. Im März 1564 verließ Granvelle schließlich die Niederlande, und nach seiner Rückkehr in den Staatsrat forderte Wilhelm von Oranien am 31. Dezember 1564 nicht nur eine Reform im ständischen Sinne, sondern auch die friedliche konfessionelle Koexistenz der verschiedenen Glaubensrichtungen.

Philipp II. lehnte jedoch im November 1565 eine Milderung der Ketzerdekrete ab, was in der Folge zur Gründung des niederadeligen „Compromis“ führte – ein Bündnis, dass von der herrschenden Elite als Ansammlung von Bettlern („geux“) verspottet wurde. Doch die Niederadeligen Bündnispartner nahmen diesen Begriff auf und machten eine Ehrenbezeichnung daraus, indem sie sich selber als „Geusen“ bezeichneten und Abzeichen mit dem Bettelstab und Bettelsack trugen.

 

Am 5. April 1566 übergaben die Geusen in Brüssel eine Petition an die Statthalterin Margarethe von Parma, die wenige Tage später Mäßigung in Glaubenssachen zusagte. Dennoch wuchsen die Spannungen zwischen den Konfessionen weiter an, und am 10. August begann in den südlichen Niederlanden ein Bildersturm in katholischen Kirchen.  In der Folge lenkte Margarethe von Parma weiter ein und ließ am 23. August in beschränktem Maße protestantische Predigten zu. Doch diese Kompromisse waren nicht von Dauer, da sie den Interessen Philipps II. zuwiderliefen, der im November den Herzog von Alba in die Niederlande sandte und ihn mit der militärischen Niederschlagung der Opposition beauftragte.

Bis zum März 1567 gelang die Niederschlagung der Unruhen der Reformierten im Süden, und in der Folge verließ Wilhelm von Oranien im April 1567 die Niederlande und ging mit seinen Begleitern ins Exil nach Dillenburg.

Währenddessen setzte der Herzog von Alba seinen Vormarsch fort und marschierte im August in Brüssel ein, wo er im September den „Conseil des Troubles“, umgangssprachlich auch als „Blutrat“ einrichtete, und unter anderem auch die Grafen Egmond und Hoorn verhaften ließ. Im Oktober schließlich trat Alba auf Geheiß Philipps II. als Generalstatthalter an die Stelle Margarethes von Parma.

Das Jahr 1568 stellte für Wilhelm von Oranien in vielerlei Hinsicht einen entscheidenden Einschnitt dar. Das erste Ereignis dieses Jahres sollte ihn persönlich besonders treffen, denn am 14. Februar 1568 erfolgte die Gefangennahme seines ältesten Sohnes Philipp Wilhelm in Leuven, der zur weiteren (katholischen) Erziehung nach Spanien gebracht wurde – Wilhelm sollte seinen Sohn niemals wiedersehen.

Am 31. März trafen Wilhelm von Oranien und seine Brüder Ludwig und Heinrich mit mehreren Getreuen zu letzten Beratungen auf der Ginsburg zusammen, die bis zum 3. April andauerten, als man nach Freudenberg weiterreiste. Hier wurden die entscheidenden Entschlüsse für den (ersten) Feldzug zur Befreiung der Niederlande gefasst, auch wenn zu diesem Zeitpunkt von Unabhängigkeitsbestrebungen noch keine Rede sein konnte: Es ging letztlich neben dynastischen Interessen (Rückeroberung der verlorenen Güter in den Niederlanden) um die Wiedereinführung der in den vorigen Jahren abgeschafften, angestammten politischen Rechte und Freiheiten der Niederländer. In diesem Feldzug, der von April bis Dezember 1568 dauern sollte, sollten drei Armeen aus dem Süden, in der Mitte und im Norden in die niederländischen Provinzen einrücken, um die spanischen Kräfte aufzuspalten, doch scheiterte der Feldzug letztlich an der mangelhaften Koordination der einzelnen Truppenteile. Die erste größere Schlacht jedoch, die am 23. Mai bei Heiligerlee in der Provinz Groningen stattfand, wurde ein unerwarteter Erfolg für Ludwig von Oranien, doch fiel Wilhelms Bruder Adolf von Nassau, nachdem er – angespornt durch erste Erfolge, oder weil sein Pferd durchgegangen war, die Zeitgenossen waren sich nicht sicher – mitten in die spanischen Truppen geritten war. Dieser Erfolg Ludwigs war jedoch nicht von langer Dauer, und spätestens nach der verhängnisvollen und verlustreichen Niederlage Ludwigs bei Jemgum am 21. Juli 1568 war der Feldzug zum Scheitern verurteilt, auch wenn sich die Gefechte noch länger hinzogen.

Zwischenzeitlich hatte sich gezeigt, dass Wilhelm von Oranien die Lage richtig eingeschätzt hatte, als er ins Dillenburger Exil geflüchtet war, denn am 5. Juni ließ der Herzog von Alba die Grafen Egmond und Hoorn in Brüssel hinrichten.

Doch ungeachtet der militärischen Niederlage der Oranier nahmen die Spannungen in den niederländischen Provinzen auch 1569 aufgrund der Amtsführung Albas nicht ab. Dies lag unter anderem daran, dass er dauerhafte Steuern zur Finanzierung des spanischen Heeres einführen wollte, so unter anderem den so genannten Zehnten Pfennig, was zu erbittertem Widerstand Anlass gab, da damit die Macht der ständischen Vertretungen in ihren ureigensten Bereichen weiter beschnitten worden wäre.

Im folgenden Jahr, 1570, erfolgte die Trennung Wilhelms von Oranien von seiner Frau Anna von Sachsen unter anderem wegen ihrer Beziehung zu Jan Rubens, dem späteren Vater von Peter Paul Rubens.

Das Jahr 1572 sah ein erneutes Aufflammen der militärischen Aktivitäten in den niederländischen Provinzen: Am 1. April 1572 eroberten die Wassergeusen die Stadt Den Briel, und konnten somit einen festen Stützpunkt für ihre Kaperfahrten gegen die Spanier aufbauen und leisteten fortan einen wichtigen Beitrag im Freiheitskampf.  Von Mai bis September erfolgte ein zweiter Feldzug Wilhelms von Oranien, und der Aufstand gegen den Herzog von Alba breitete sich in Holland aus. In der Folge nahmen die holländische Stände Wilhelm von Oranien am 20. Juli 1572 als Statthalter an.

Doch auch ein Ereignis außerhalb der niederländischen Provinzen spielte in dieser Zeit in den Konflikt hinein: In der Nacht vom 23. auf den 24. August 1572 war es in Paris zur so genannten Bartholomäusnacht gekommen, einem Pogrom, in dem nicht nur die Anführer der protestantischen Hugenotten sondern auch Tausende ihrer Glaubensgenossen umgebracht wurden, und in den Folgetagen breiteten sich diese Pogrome durch ganz Frankreich hindurch aus. Damit war der Grundstein für eine weitere Radikalisierung der Glaubensfeindlichkeiten gelegt.

Im Herbst fand eine Strafexpedition des Herzogs von Alba in den Niederlanden statt, die aufgrund der grausamen Plünderungen und Morde der spanischen Truppen in den eroberten Städten Mecheln, Zutphen und Naarden für großen Nachhall sorgte. Im Dezember schließlich begann Alba mit der Belagerung Haarlems, da sich die Stadt mit Blick auf die vorangegangenen Ereignisse den Spaniern nicht unterwerfen wollte. Während dieser Belagerung versorgten die Geusen die Stadt Haarlem über das Haarlemermeer mit Hilfe ihrer kleinen Schiffe mit Nachschub und Proviant, doch am 12. Juli 1573 gelang Alba schließlich die Einnahme Haarlems.

Nachdem er am 8. Oktober 1573 die Belagerung Alkmaars erfolglos abbrechen musste, wurde der Herzog von Alba am 15. Oktober im Kommando abgelöst, und am 31. Oktober begann die Belagerung der Stadt Leiden, die in der Wahrnehmung der Aufständischen eine zentrale Rolle spielen sollte. Ein weiteres einschneidendes Ereignis spielte sich in eher unauffälligem Rahmen ab, als Wilhelm von Oranien – der ja formal immer noch katholisch war – am 13. Dezember 1573 in Dordrecht erstmals das calvinistische Abendmahl einnahm. Auch wenn es nicht überliefert ist, dass er formal den Glauben wechselte, war dies doch ein eindeutiges Bekenntnis zu den Aufständischen, jetzt auch in der Frage der Religion, obschon Wilhelm immer dem Ausgleich zwischen den Konfessionen verbunden blieb.

Währenddessen dauerte die Belagerung Leidens an, und die Aufständischen versuchten, die Spanier durch den Angriff eines Entsatzheeres zum Abbruch derselben zu bewegen. Daraus resultierte am 14. April 1574 die Schlacht auf der Mooker Heide, unweit Nimwegens, in deer Wilhelms Brüder Ludwig und Heinrich getötet wurden, und die für die Aufständischen verloren ging. Da die Aufständischen jedoch alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nutzten, um den Spaniern die Fortsetzung der Belagerung zu verunmöglichen, und dabei auch weite Teile des Landes unter Wasser setzten, indem sie die Deiche durchstachen, mussten die Spanier die Belagerung Leidens schließlich nach über 11 Monaten Dauer am 3. Oktober 1574 abbrechen.

Mittlerweile hatte der fortgesetzte Krieg beide Seiten zu der Einsicht kommen lassen, dass es so nicht weitergehen könne: Während die Aufständischen der spanischen Militärmacht keine gleichwertige Streitmacht entgegensetzen konnten, mussten die Spanier, die immer wieder unter Geldmangel litten und ihre Söldner nicht bezahlen konnten, mit Unruhen unter den eigenen Truppen rechnen während sie mühsam eine Stadt nach der anderen belagern mussten. Daher kam es von März bis Juli 1575 zu Friedensverhandlungen mit dem Nachfolger Albas,  Luis de Zúñiga y Requesens, die jedoch letztlich scheiterten. In der Folge kam es bis April 1576 zum Plan einer Union der Provinzen Holland und Seeland, in der Wilhelm von Oranien umfangreiche Regierungskompetenzen zugestanden wurden.

Nach dem plötzlichen Tod Requesens im März und noch vor der Ankunft des neuen Statthalters, Juan d´Austria, kam es aufgrund des ausstehenden Solds zu einer Meuterei spanischer Truppen, die plündernd durch die Provinzen zogen. Daraufhin riefen die Stände Brabants die Generalstände ein – ein absolutes Novum, da eigentlich dem Statthalter als Vertreter des Königs das Recht zur Einberufung der Generalstände als beratendes Gremium zustand. Die Situation verschärfte sich weiter, und vom 4. bis 6. November plünderten die spanischen Soldaten Antwerpen, Ereignisse, die als „Spaanse furie“ / „Spanische Furie“ in die Geschichte eingingen. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse schlossen Holland, Seeland und weitere der südlichen und nördlichen Provinzen am 8. November 1576 die so genannte Genter Pazifikation, indem sie sich Unterstützung zur Vertreibung der spanischen Armee zusagten und religiöse Toleranz forderten.

Am 12. Februar 1577 musste Juan d´Austria die Genter Pazifikation anerkennen und entließ die spanischen Truppen außer Landes. Doch diese Entspannung war nicht von langer Dauer, da Juan d´Austria die Truppen bereits am 10. Juli in die Niederlande zurückbeorderte – die Spanier hatten den Kampf noch lange nicht aufgegeben, auch wenn Juan d´Austria sich aus Brüssel nach Namur zurückziehen musste.

Somit konnte Wilhelm von Oranien am 23. September 1577 feierlich in Brüssel einziehen, und die Generalstände boten Erzherzog Matthias von Österreich das Amt des Generalstatthalters an. Mittlerweile hatten im Oktober radikale Calvinisten die Herrschaft in Gent übernommen.

Am 20. Januar 1578 leistete Matthias den Generalständen den Eid, und Wilhelm von Oranien wurde als sein Stellvertreter angenommen. Parallel dazu nahmen die Glaubensgegensätze weiter zu, und im Februar begannen radikale Calvinisten eine Offensive in Flandern. Um einer weiteren Radikalisierung vorzubeugen schlug Wilhelm im Juli einen Religionsfrieden vor, blieb mit diesem Ansinnen aber erfolglos.

Obwohl es immer Wilhelm von Oraniens Anliegen gewesen war, die niederländischen Provinzen als Gesamtheit zu erhalten, waren die konfessionellen Gegensätze nicht mehr ungeschehen zu machen, so dass die südlichen, katholischen Länder am 6. Januar 1579 die Union von Atrecht (heute: Arras) gründeten, und die nördlichen Staaten am 23. Januar die Union von Utrecht.

Im Sommer 1579 begann eine Invasion von Brabant und Flandern unter dem Kommando von Alessandro Farnese, Herzog von Parma, der Don Juan d´Austria nach dessen Tod als Generalstatthalter nachgefolgt war, und setzte die Länder der Utrechter Union stark unter Druck.

Das Jahr 1580 brachte einen entscheidenden Einschnitt im Verhältnis von Wilhelm von Oranien zu König Philipp II. von Spanien, den er bis dato – zumindest formell – immer noch als Herrn der Niederlande anerkannt hatte: Am 15. März 1580 verkündete Philipp II. die Ächtung Wilhelms, und setzte ein Kopfgeld auf diesen aus und versprach, jeden, der diesen töten würde, in den Adelsstand zu erheben. In der Folge kam es dann im Dezember zum Bruch Wilhelms mit Philipp II., den er in einer „Apologie“ genannten Schrift vor der Öffentlichkeit begründete.

Am 23. Januar 1581 leistete Franz von Anjou als neuer, von den aufständischen Generalständen erwählter Herr („Prince et Seigneur“) diesen den Treueid, und in der „Akte van Afzwering“ oder „Plakkaat van Verlatinghe“ vom 26. Juli setzten die Generalstände Philipp II.auch formell als Landesherr ab und erklärten damit ihre Unabhängigkeit.

Während auch die Stände von Brabant Franz von Anjou im Februar 1582 als Landesherrn annahmen, zeigte die Ächtung Wilhelm von Oraniens erste Erfolge, da am 18. März 1582 von Jean Jaureguy ein Attentat auf ihn verübt wurde, das er schwer verletzt überlebte – seine dritte Frau, Charlotte de Bourbon-Montpensier, die er 1575 geheiratet hatte, starb nach der aufopferungsvollen Pflege des Verletzten jedoch an Erschöpfung. Dessen ungeachtet akzeptierte Wilhelm am 14. August die ihm angebotene Grafenwürde Hollands, doch sollte dieses Projekt bis zu seinem Tode unvollendet bleiben, da sich die beiden Seiten nicht auf die konkrete Ausgestaltung seiner Position und seiner Rechte einigen konnten.

Das Kapitel „Franz von Anjou als Landesherr“ endete 1583 sehr plötzlich, nachdem ein Staatsstreich von Anjou am 17. Januar scheiterte und er im Juni nach Frankreich zurückkehrte, während Alessandro Farnese im Frühjahr weiter in Flandern und Brabant vorrückte.

Somit war die politische Lage in den aufständischen Staaten zu Beginn des Jahres 1584 erneut ungeklärt und unübersichtlich, während die militärische Lage zunehmend bedrohlicher wurde. In dieser Zeit, als der Erfolg des Aufstands in Frage zu stehen schien, kam es erneut zu einem Attentat auf Wilhelm von Oranien: Balthasar Gérard, ein fanatischer Katholik, der sich unter falschem Namen Zugang zu Wilhelm und seinem Hof verschafft hatte, erschoss Wilhelm am 10. Juli 1584 in dessen Delfter Residenz, dem so genannten Prinzenhof. Die letzten Worte des sterbenden Wilhelm von Oranien sollen gelautet haben „Mon Dieu, mon Dieu, ayez pitié de moi et de ce pauvre peuple.“ – „Mein Gott, mein Gott, hab Mitleid mit mir und diesem armen Volk.“. Am 3. August erfolgte die Beisetzung Wilhelms in der Nieuwe Kerk in Delft, in der noch heute sein Grabmal an ihn erinnert.

König Philipp II. von Spanien. Auf dem Gemälde von Antonis Mor, aus dem Jahre 1560 ist der spanische König in einem Prunkharnisch zu sehen. Royal Monastery of San Lorenzo de El Escorial, Madrid.
Wilhelm von Oranien. Auf dem Gemälde von Adriaen Thomasz. Key aus dem Jahre 1579 ist der Prinz von Oranien in einer Rüstung und mit einer für die Zeit typischen Halskrause zu sehen. Rijksmuseum, Amsterdam.
Schlacht auf der Mooker Heide, 14. April 1574. Stich von Frans Hogenberg, 1574-1590. Zu erkennen ist, wie die verschiedenen Abteilungen der gegnerischen Heere, Infanterie wie Kavallerie, auf dem Schlachtfeld aufeinandertreffen. Atlas van Stolk, Rotterdam.
Wilhelm von Oranien u. Anna von Egmont, um 1555. Anlässlich einer Ausstellung auf der Grundlage historischer Abbildungen angefertigte Puppen, Wilhelm im Harnisch mit abgenommenem Helm und Anna in einem zeitgenössischen Kleid. Jeroen Punt u. Louis Ph. Sloos, Willem van Oranje. De jonge prins als Edelman en militair, Zutphen 2018, 2.
Reiter der Garde Wilhelm von Oraniens. Zu sehen sind drei mit Lanzen bewaffnete Reiter. An der Spitze der Lanzen befinden sich die niederländischen Farben als Wimpel. Darstellung aus einer Handschrift von Willem de Gortter, Geillustreerd verzamelhandschrift, Mechelen, 1603-1623. Koninklijke Bibliotheek, Brussel, hs. 15662.

Eine Darstellung der politischen Strukturen in den Niederlanden findet sich bei S. Groenveld, H. L. Ph. Leeuwenberg, M. E. H. N. Mout u. W. M. Zappey, De Tachtigjarige Oorlog. Opstand en consolidatie in de Nederlanden (ca. 1560-1650), 2., überarb. Aufkl., Zutphen 2012, S. 13-24.

Eine aktuelle, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Biogrphie Wilhelms findet sich in Olaf Mörke, Wilhelm von Oranien (1533-1584). Fürst und “Vater” der Republik, Stuttgart 2007, wodurch ältere, teils stark verklärende Darstellungen überholt sind.

Zur Jugend Wilhelms vgl. Jeroen Punt u. Louis Ph. Sloos, Willem van Oranje. De jonge prins als edelman en militair, Zutphen 2018, S. 16-73.

Zu Kaiser Karl V. vgl. Geoffrey Parker, Der Kaiser. Die vielen Gesichter Karls V., Darmstadt 2020. Zur Person Philips II. vgl. Geoffrey Parker, Imprudent King. A new life of Philip II, New Haven u. London 2015. Zur Strategie Philips II. in den Niederlanden im Kontext seiner gesamten Politik vgl. Geoffrey Parker, The Grand Strategy of Philip II, New Haven u. London 1998, hier insbes. S. 115-146.

Zum Bildersturm vgl. Jan J. B. Kuipers, De Beeldenstorm. Van oproer tot Opstand in de Nederlanden, Zutphen 2015.

Die Person und Politik Albas wird behandelt in Maurits Ebben, Margriet Lacy-Bruijn u. Rolof van Hövell tot Westerflier (Hg.), Alba. General and Servant to the Crown (Protagonists of History in International Perspective 3), Rotterdam 2013.

Zum Aufstand allgemein immer noch aktuell Geoffrey Parker, Der Aufstand der Niederlande. Von der Herrschaft der Spanier zur Gründung der Niederländischen Republik 1549-1609, München 1979 sowie die knappe Darstellung bei Anton van der Lem, Opstand! Der Aufstand in den Niederlanden. Egmonts und Oraniens Opposition, die Gründung der Republik und der Weg zum Westfälischen Frieden, Berlin 1996. Im weiteren Kontext der niederländischen Geschichte behandelt Jonathan I. Israel, The Dutch Republic. Its Rise, Greatness, and Fall 1477-1806 (The Oxford History of Early Modern Europe), überarb. Aufl., Oxford 1998, S. 155-230, den Aufstand. Eine erfrischende Betrachtung der Ereignisse in den Niederlanden im Kontext bzw. als Vorgeschichte des 30jährigen Krieges bietet Peter H. Wilson, Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie, Darmstadt 2017, S. 172-199 und passim. Eine militärhistorische Darstellung findet sich bei Petra Groen (Red.), De Tachtigjarige Oorlog. Van opstand naar geregelde oorlog, 1568-1648 (Militaire Geschiedenis van Nederland), Amsterdam 2013. Die Struktur und Entwicklung des spanischen Heeres in den Niederlanden wird behandelt in Geoffrey Parker, The Army of Flanders and the Spanish Road 1567-1659. The Logistics of Spanish Victory and Defeat in the Low Countries´ Wars (Cambridge Studies in Early Modern History), 2. Aufl., Cambridge 2004, die Entwicklung des niederländischen Heeres bei Erik Swart, Krijgsvolk: Militaire Professionalisering en Het Ontstaan Van Het Staatse Leger 1568-1590 (Amsterdam Studies in the Dutch Golden Age), Amsterdam 2006. Eine populärwissenschaftlich gehaltene Darstellung der niederländischen Truppen bei Bouko de Groot, Dutch Armies of the 80 Years´ War 1568-1648 (1). Infantry (Men-at-Arms 510), Oxford u. New York 2017 sowie ders., Dutch Armies of the 80 Years‘ War 1568-1648 (2). Cavalry, Artillery and Engineers (Men-at-Arms 513), Oxford u. New York 2017.

Zu den Auswirkungen auf einzelne Städte vgl. das Beispiel Geldern: Rien van den Brand, Streiflichter. Stadt, Burg und Festung Geldern vom Mittelalter bis zur preußischen Eroberung 1703 (Geldrisches Archiv 17 = Stichting Historie Peel-Maas-Niersgebied / Stiftung Geschichte des Raumes Peel-Maas-Niers 24), Goch 2017, S. 165-185.

Zur Rolle der Geusen in der Frühzeit des Konflikts vgl. Anne Doedens u. Jan Houter, De Watergeuzen. Een vergeten geschiedenis, 1568-1575, Zutphen 2018 sowie zum Krieg zur See bis 1585 J. P. Sigmond, Zeemacht in Holland en Zeeland in de zestiende eeuw, Hilversum 2013, S. 127-216.

Eine Darstellung von Wilhelms Ermordung findet sich bei Alexander Wollschläger, Die Ermordung Wilhelms im Prinzenhof, in: Siegerland. Blätter des Siegerländer Heimatvereins Bd. 61, Heft 1 1984, S. 17-20.