Das Aussehen, die Freilegungen und der Wiederaufbau der Ginsburg in den 1960er Jahren

Die Ginsburg liegt auf der Spitze des Schlossberges, einer Rückfallkuppe, die sich von der Hochfläche der Ginsberger Heide nach Südwesten ins Tal vorschiebt. Der Schlossberg hat die Gestalt eines Laubblattes, dessen Spitze nach Südwesten zeigt, während im Osten eine tiefer liegende Schmalstelle die Verbindung zu den dahinter aufsteigenden Höhen vermittelt.

Die Kernburg liegt auf einem Felsen, der durch den sie umgebenden Graben künstlich abgesteilt wurde. Dieser umgibt die Hauptburg auf allen vier Seiten, wobei der Graben an der der Vorburg zugewandten und dem Zugang dienenden Westseite schmaler ist als die anderen Seiten. Der Graben wird von einem Außenwall umgeben, der zumindest teilweise künstlich aufgeschüttet worden sein muss, wie die deutlich ansteigende Hangneigung im Osten und Südosten belegt. Der Außenwall ist an der Nordwestecke der Burg durchbrochen und läuft dort auf das Niveau der Vorburg aus. An der Westseite ist der Wall als deutlich ansteigende Rampe ausgeprägt, an deren Fuß die Fundamente eines steinernen Hauses, welches heute als Burgschänke wieder errichtet ist, gefunden wurden.

Im Nordwesten der Kernburg verläuft die Hangkante der Vorburg in einer Linie vom Außenwall der Kernburg weiter nach Südwesten, um dann in einem weiten Bogen nach Nordosten herumzuziehen. Im Süden ist auch an der Hangkante der Vorburg ein kleiner Wall ausgebildet, der stumpf in der Mitte des Außenwalles der Hauptburg an diese anstößt. Der Zugang erfolgt heute von Osten kommend über einen rampenartigen Weg im Süden der Burg und erreicht die Vorburg im Südwesten. Westlich der in die Vorburg führenden Erdrampe ist am Fuß der abgesteilten Vorburg ein Graben mit einem weiteren kleinen Wall vorgelagert, der sich um die Nordseite der Burg herumzieht und im Nordosten, zuletzt nur noch als künstlicher Absatz erkennbar, im Hang ausläuft. Ob es sich bei diesem Absatz um den ehemaligen Zugang der Burg handelt muss dahingestellt bleiben, da die Situation an der Südseite und insbesondere an der Südwestecke durch die Erdarbeiten der 1960er Jahre völlig verändert ist.

Ob sich an der Stelle der Ginsburg, wie in der Literatur teilweise vermutet, bereits vor dem Mittelalter eine Befestigung befunden hat, kann nicht verifiziert werden.  Tatsächlich aber lässt die Struktur der Wälle und Gräben den Rückschluss zu, dass auf dem Schlossberg verschiedene Phasen der Befestigung vorhanden sind: Zum einen ist die Situation im Süden bemerkenswert, wo der Wall der Vorburg nicht in den Wall der Hauptburg übergeht sondern in relativ stumpfen Winkel an diesen anstößt – es kann nur vermutet werden, ob dies der letzte Hinweise auf einen ursprünglich anderen Verlauf des Walles der Vorburg ist Zum anderen fällt auf, dass der Graben im Westen der Kernburg wesentlich schmaler ist als auf den anderen Seiten und auch als einziges Stück absolut gerade ist, und noch dazu an der Südwestecke der Burg durch einen deutlichen Absatz vom Graben im Süden getrennt ist. Möglicherweise handelt es sich hier um den Halsgraben der Ursprungsanlage, die auf dem Felskopf dahinter lag, und die ihrerseits in Vor- und Hauptburg getrennt war durch den im Süden noch erkennbaren Felsspalt im Burghof, von dem allerdings nicht klar ist, ob er sich über die gesamte Breite des Felsens erstreckt. Dann hätte man zu späterer Zeit, als die Kernburg sich über den ganzen heutigen Burgfelsen erstreckte, diesen Spalt verfüllt und einen mächtigen Graben mit Außenwall an den anderen Seiten der Burg aufgeschüttet.

Aufgrund der unzureichend dokumentierten Ausgrabungen auf der Ginsburg und den anschließenden Aufbaumaßnahmen ist der Baubestand der Burg heute nur schwer verständlich und teilweise eventuell der Interpretation der 1960er Jahre zuzuschreiben. Trotzdem soll an dieser Stelle eine kritische Baubeschreibung erfolgen und ergänzend sollen zur Baugeschichte und -gestalt der Burg mögliche Aussagen vorgestellt werden.

Wie bereits dargelegt lassen die Grabungen der 1960er Jahre keinen zweifelsfreien Schluss zur Gestalt der ältesten Anlage der Ginsburg zu, die wohl aus Gebäuden, eventuell einem quadratischen Wohnturm von 8 x 8 m Außenmaßen, bestanden haben könnte, die sich etwa an der Stelle des heutigen Aussichtsturmes befanden. Weitere Mauerreste, die im Norden und Osten des Turmes freigelegt wurden, lassen den Rückschluss zu, dass diese Gebäude  zusätzlich durch eine Ringmauer geschützt waren, und eventuell sogar weitere Bauten existiert haben könnten. Ob diese Anlage ins 11./12. Jahrhundert datiert werden kann ist fraglich. Die unsichere Datierung lässt es jedenfalls auch möglich erscheinen, dass die Ginsburg der Nachfolgebau der südöstlich gelegenen Graf-Gerlachs-Burg ist, deren Nutzungsdauer im 11. und der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts vermutet wird. 

Die heute noch erkennbaren bzw. in den 1960er Jahren (wieder) errichteten Mauerstrukturen können nicht mehr einzelnen Bauphasen zugeordnet werden, wobei nicht einmal klar ist, ob sie alle gleichzeitig bestanden. Heute bildet der Aussichtsturm des Jahres 1968 das zentrale Element der Burg, der auf dem drei Meter hohen Stumpf des mittelalterlichen Bergfrieds errichtet wurde. Dieser Turm mit einem Durchmesser von 11,20 m wurde nach Osten verschoben im bergseitigen Teil der Burg errichtet.

Im Nordwesten des Bergfrieds befindet sich das vermeintliche Hauptgebäude der Burg, ein teilweise unterkellerter Bau mit trapezoidem Grundriss und einer Breite von 12,30 bis 13,80 Meter sowie einer Länge von 17,30 bis 20,5 m, der als Wohnbau anzusprechen sein wird.  An der Südwestecke des Wohnbaus schließt ein nahezu quadratisches Gebäude an, das mit einer Aussichtsplattform rekonstruiert wurde und aufgrund des Grundrisses und der Mauerstärke regelmäßig als turmartiges Bauwerk in unmittelbarer Nachbarschaft des Burgtores angesehen wird. Südlich dieser beiden Bauwerke erstreckt sich der Burghof, in dem sich unmittelbar vor der Mauer des Wohnbaus eine Zisterne befindet. Nordwestlich der beiden genannten Gebäude befindet sich eine vermeintliche Hoffläche mit teilweise recht steiler und zerklüfteter Oberfläche, die allenfalls durch eine Fortführung der von Osten kommenden äußeren Ringmauer erklärbar wäre. Davor befindet sich ein schmales, aus parallel vor den Hofaußenmauern laufenden Mauerzügen gebildetes Gebäude, wobei die Westmauer wiederum eine Fortsetzung der von Süden anlaufenden äußeren Ringmauer darstellen könnte. Die Nordwestecke der Gesamtanlage bildet ein in den Graben und aus der Mauerflucht hervorspringender Gebäudeteil mit an der Ecke angesetztem Halbrund, an dessen südlichem Ende sich eine weitere Zisterne, eventuell sogar ein Brunnen, befindet.

Während nördlich des Bergfrieds ein Durchgang zwischen diesem und dem äußeren Zwinger offen bleibt, zieht sich im weiteren Bereich im Osten und Süden eine Ringmauer um Hof und Bergfried und endet unmittelbar südlich des turmartigen Gebäudes im Nordwesten mit einer nach Norden gerichteten Mauerzunge, so einen Teil der Tordurchfahrt bildend. Diese Tordurchfahrt erweist sich aufgrund der anstoßenden Mauern eventuell als Rest eines rechteckigen Torhauses, vor dem eine Brücke den Halsgraben überspannt; ob hier eine Zugbrücke existierte, kann nicht mehr nachgehalten werden. Von der südwestlichen Ecke dieses potentiellen Torbaus zieht die äußere Ringmauer, die den im Vergleich zum Burghof auf einem deutlich niedrigeren Niveau befindlichen Zwinger nach außen begrenzt, erst nach Süden, um dann in einem stumpfen Winkel nach Osten umzubiegen. Im Südosten der Burganlage knickt die Ringmauer wiederum in einem stumpfen Winkel nach Norden ab, während die „Nordostecke“ durch eine sanfte Rundung gebildet wird, in der die Ringmauer nach Westen umschwenkt und schließlich an das bereits erwähnte, in den Burggraben vorspringende Gebäude zu stoßen. Östlich des Turmes sind deutliche Niveauunterschiede im äußeren Zwinger auszumachen, und nahe der Südostecke springt ein abgeknickter Mauerzahn von der inneren Ringmauer in den äußeren Zwinger vor.

Angeblich befand sich vor der Südwestecke der Burg im Graben ein „vermutlicher Viereckturm mit Abschrägung u. Schießscharte“, der aber weder in der Literatur auftaucht noch bei den Wiederaufbauten berücksichtigt wurde. Vor Ort finden sich keine eindeutigen Hinweise mehr auf dieses Bauwerk.

Die Schriftquellen geben kaum Anhaltspunkte zu den Bauten der Burg, da sie meistens nicht näher spezifizierte Ausbesserungen an der Ringmauer, dem Tor oder anderen Gebäuden betreffen, und die Beschreibungen in der Verkaufsurkunde vom 13. Februar 1345 sind eindeutig als formelhafte Bezeichnungen anzusehen.

Wie bereits erwähnt bestand die Erstanlage der Burg aus Gebäuden im Bereich des heutigen Bergfrieds, eventuell umgeben von einer Ringmauer. Möglicherweise erstreckte sich der Kernbereich dieser Burg lediglich über die östliche Hälfte des heutigen Hauptburgfelsens. Aufgrund der undokumentierten Freilegungen und freien Wiederaufbaumaßnahmen der 1960er Jahre ist der sichtbare Baubestand völlig verunklärt, doch lässt alleine die Situation im Nordwesten der Anlage die Möglichkeit zu, dass dort Mauern aus verschiedenen, nicht gleichzeitig existierenden Phasen wieder aufgebaut wurden – jedenfalls deuten dies die im heutigen Burginneren durchlaufende nördliche Ringmauer und der nicht recht erklärbare, als „Sackgasse“ ausgeprägte „Zwinger“ nördlich des Wohnbaus an.

Letztlich bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Ginsburg während der gesamten Zeit ihrer Nutzung um eine kompakte, architektonisch eher bescheiden ausgestaltete nassauische Grenzfeste gehandelt hat, deren markantestes Bauwerk spätestens ab der Errichtung des runden Bergfrieds ein Turm im Osten der Kernburg war.

 

Der heutige Besucher der Ginsburg steht oft eher ratlos vor der Frage, welche Teile der Burg noch Originalsubstanz aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit sind, und welche erst in den 1960er Jahren nach den Freilegungen (rekonstruierend) neu aufgebaut wurden.

Unter Zuhilfenahme von zeitgenössischen Plänen und Fotos und eines ebenfalls zeitgenössischen zehnminütigen Dokumentarfilms ist es aber immerhin möglich, herauszuarbeiten, welche baulichen Reste noch der Zeit vor den 1960er Jahren entstammen.

 

Zuerst werden die genannten Pläne ausgewertet, wobei sich dort die Problematik stellt, dass – wie anhand des Vergleichs mit den Fotos zu erkennen ist – nicht sauber getrennt wird zwischen erhaltenem historischem Baubestand und vorgefundenen, letztlich aber neu aufgemauerten Teilen.

Der chronologisch älteste Plan vom Architekten Jürgen Schulze aus Dortmund (P01) gibt den Stand vom 1. Oktober 1961 wieder, also nur kurz nach dem dort vermerkten Grabungsbeginn am 22. Juli 1961. In der rechten oberen Ecke befindet sich eine „Ansicht der Eingangsseite vom Burggraben gesehen“. Oberhalb der Sohle des Burggrabens ist der ansteigende Hang eingezeichnet, aus dem stellenweise Mauerwerk hervortritt, und der Mauereinschnitt für das Widerlager der Zugbrücke ist bereits freigelegt. Weiter oberhalb ist aufgehendes Mauerwerk mit der Tordurchfahrt zur Hauptburg zu erkennen sowie die Reste von drei der Mauer vorgelagerten Stützpfeilern. Auch der Grundriss beschränkt sich – abgesehen vom nur im Inneren freigelegten Fundamentmauerwerk des Bergfrieds – ausschließlich auf den westlichen Teil der Burg. Erkennbar ist der freigelegte Halsgraben, der auf der Außenseite gegenüber dem Widerlager der Zugbrücke eine heute nicht mehr erkennbare Aussparung, vermutlich eine kleine Senke zur Aufnahme des Brückenendes, aufweist. Die westliche „Grabenmauer“ oder Ringmauer ist über weite Strecken an der Außenseite freigelegt, ebenso die Tordurchfahrt in den Innenhof. Von der inneren Ringmauer mit einer Breite von 2 m ist ein 13,70 m langer Abschnitt im Süden zu erkennen, und zwischen Mauerecke und Tordurchfahrt der Ansatz eines Stützpfeilers. Nördlich der Tordurchfahrt sind die südlichen und westlichen Außenseiten eines scheinbar rechteckigen Gebäudes eingetragen, und zusätzlich auch hier zwei weitere Stützpfeiler. Alle drei Stützpfeiler weisen unterschiedliche Stärken und Ausdehnungen auf. Nordöstlich ist das Innere eines rechteckigen Gebäudes freigelegt, an dessen Nordwand Gewölbewiderlager eingezeichnet sind.

Auf einem Höhenplan vom selben Tage (P02) ist erkennbar, dass die freigelegten Mauerteile der inneren Ringmauer knapp zwei Meter hoch erhalten sind, während der Halsgraben vom Niveau der Tordurchfahrt gesehen eine Tiefe von 5,70 m aufweist. Das Innere des Bergfrieds ist bis in eine Tiefe von knapp drei Metern ausgeschachtet.

Der chronologisch nächste Plan stammt vom 20. Oktober 1962 (P05). Auch zu diesem Zeitpunkt beschränkten sich die freigelegten Teile hauptsächlich auf den Westen der Burganlage, also die Bereiche unmittelbar hinter dem Halsgraben der Burg. Auf dem Burgfelsen selber stellt sich die Situation weitgehend unverändert zum Vorjahr dar, während der Fokus der Arbeiten offensichtlich auf der Freilegung des sogenannten „Brunnenhauses“ im Graben gelegen hat. Ein Teil der nördlichen Ringmauer ist auf der Außenseite freigelegt, sowie das gesamte im Nordwesten in den Graben vorspringende Gebäude mitsamt einer Treppe, die vom Burgfelsen aus hinunter führt. In dem halbrunden, vorspringenden Bauteil sind drei Lichtschlitze bzw. Schießscharten eingetragen. Nach Süden hin wird ein nahezu quadratischer Raum durch eine Quermauer abgetrennt, in dem sich der „Brunnen“ befindet. Oberhalb desselben befanden sich in zwei Meter Höhe drei Rundhölzer, welche in Ost-West-Richtung über das gesamte Gebäude verliefen. An der Südseite der „Brunnenstube“ sind ebenfalls zwei Lichtschlitze eingetragen.

Die zeitlich letzten vorliegenden Pläne stammen vom 15. Januar 1964. Es handelt sich um einen Grundriss, mehrere Teilschnitte und ein Schaubild der Hauptburg.

Auf dem Grundriss (P06) sind die freigelegten oder angenommenen Mauern mit unterschiedlichen Signaturen versehen, nämlich „Mauerwerk“, „Mauerbruch“, „ungewisses Mauerwerk“ und „vermutetes Mauerwerk“. Der Plan macht deutlich, dass sich die Freilegungen bis zu Beginn des Jahres 1964 nahezu ausschließlich auf den Bergfried und den Westen der Kernburg konzentrierten. Das Grabengebäude ist bereits vollständig entschuttet, und die dortigen Mauern sind nahezu vollständig als „Mauerwerk“ gekennzeichnet, genau wie weite Teile der westlichen Grabenmauer inklusive des Zugbrückenwiderlagers. Im Bereich des Burgtores sind Teile der inneren Ringmauer sowie des nördlich anschließenden Bauwerks, hier als „Palasrest“ bezeichnet, ebenfalls als aufgehendes Mauerwerk eingetragen; die Stützpfeiler dieser Mauern sind als Mauerbruch vermerkt. Die Außenmauern des von den Ausgräbern so bezeichneten „Nordbollwerks“ sind teilweise erhalten, teilweise ebenfalls nur noch Mauerbruch. Eine für das Verständnis der Burg sehr wichtige Eintragung findet sich im östlichen Teil dieses Mauerkomplexes: Heute ist der als „kleiner Hof“ bezeichnete felsige Bereich zwischen Palas und Grabengebäude (und damit letztlich auch selbiges) nur durch Überklettern der Mauern zugänglich – 1964 aber bestand der östliche, an den Palas und den vorgelagerten Gang anstoßende Bereich teilweise nur noch aus Mauerbruch, so dass hier eventuell ein Durchgang vermutet werden kann, der im Rahmen der Wiederaufbaumaßnahmen nicht mehr angelegt wurde, was zu der heute schwer nachvollziehbaren Situation führt. Weiter östlich finden sich Mauerreste des Hauptgebäudes, teilweise mit Gewölberesten sowie Teile der inneren Ringmauer nordöstlich des Bergfrieds. Von der äußeren und inneren Ringmauer im Osten und Süden sind nur Einzelstücke vermerkt, allerdings – aufschlussreich – eine „Arbeitsauffahrt“, die aus dem südlichen Graben über beide Ringmauern hinweg auf das Hauptburgplateau im Bereich des Bergfrieds führt.

Der Vergleich mit dem zum selben Zeitpunkt erstellten Schaubild (P08) wirft einige Fragen auf: Die Bereiche, die auf dem Plan als „Mauerbruch“ bezeichnet sind, weisen unregelmäßige Maueroberkanten auf, die als „Mauerwerk“ bezeichneten Teile hingegen eine glatte, waagerechte Oberseite. Entweder handelt es sich hierbei um eine Schematisierung durch den erstellenden Architekten, oder die als „Mauerwerk“ bezeichneten Teile stellen tatsächlich schon wiederhergestellte Mauerbereiche dar und nicht mehr den vorgefundenen Originalbestand. Mangels Erläuterung kann diese Frage nicht mehr eindeutig beantwortet werden, doch deutet der Abgleich mit Fotos insbesondere im Bereich des Grabengebäudes darauf hin, dass die Bereiche mit glatter Oberseite (Teil-)Wiederaufbauten darstellen.

Ein weiteres Schaubild vom Herbst 1964 zeigt, dass die Arbeiten dieses Jahres sich auf den nördlichen Teil der Kernburg konzentrierten, wo nun auch größere Mauerreste freigelegt wurden, so dass der Kellerbereich des so genannten Palas genauso erkennbar ist wie die noch heute existierenden Mauerreste mit der Gedenkplatte zu Wilhelm von Oranien unmittelbar nördlich des Bergfrieds. Auch bei diesem Schaubild wird jedoch nicht unterschieden, welche Mauerteile noch original sind und welche wieder aufgemauert wurden.

Ein weiterer Grundriss der Burg, beschrieben mit dem Titel „Arbeitsplan 1964-1968“ erläutert zwar, in welchem Jahr welche Maßnahmen durchgeführt wurden, doch unterscheidet er lediglich in die Kategorien „Freilegung“ (für freies Gelände“ und „Restaurierung“ (für Mauerwerk). Was konkret allerdings unter „Restaurierung“ zu verstehen ist, wird erneut nicht erläutert. Der Plan zeigt an vier Stellen Strukturen, die heute vor Ort nicht mehr nachzuhalten sind: Südlich des Torhauses ist ein Mauerzug eingetragen, der den Zeichner einen Wehrgang vermuten ließ – dieser ist heute vollständig verschwunden. Die so genannte „Nord-West-Mauer“ stößt in dem Plan unmittelbar an die Außenmauer des Langhauses – obwohl sich an dieser Stelle heute ein Gang befindet, der in älteren Publikationen fälschlich als „Wehrgang“ bezeichnet wird. Zum Dritten stoßen die „Nord-West-Mauer“ und das „Nordwerk“ östlich des Bergfrieds nicht aufeinander sondern laufen offensichtlich aneinander vorbei, müssen also zwei verschiedenen Bauphasen angehören. Heute ist an dieser Stelle eine geschlossene Ringmauer zu bestaunen. Der vierte und letzte Befund ist insbesondere im Hinblick auf die Ausgrabungen Hermann Böttgers im Jahre 1931 von Interesse: Im Südosten der Gesamtanlage ist auf der Außenseite des Burggrabens eine dem Wall vorgeblendete (oder eventuell auch diesen bildende?) Mauer eingezeichnet, die heute ebenfalls vollständig verschwunden ist.

Eine nicht mit Sicherheit zu datierende Planskizze, bezeichnet mit „24.6.1950“, was aufgrund der noch nicht erfolgten Freilegung allerdings schlicht nicht möglich ist, gibt als einzige einen konkreten Hinweis auf mittelalterliche Baumaßnahmen, da sie zeigt, dass im Bereich der Südwange des Burgtores später Mauerwerk vorgesetzt wurde, dieses also verschmälert wurde.

Im Stadtarchiv Siegen befinden sich gut 120 Fotos aus dem Nachlass von Gerhard Scholl, der die Freilegungen und Wiederaufbaumaßnahmen auf der Ginsburg maßgeblich mit angeregt und betreut hat. Diese Aufnahmen decken zum größten Teil den Zeitraum vom Beginn der Maßnahme bis in das Jahr 1964 ab. Eine vollständige Liste der Fotos mit ihrer Originalbeschriftung befindet sich im Anhang, und ein Teil der Bilder wird in dieser Schrift abgedruckt. Für diesen Beitrag werden nur die Aufnahmen herangezogen, welche Erkenntnisse über den Originalzustand der Burg zum Zeitpunkt der Freilegung sowie den Umfang der Wiederaufbauten geben. Die Nummern in Klammern verweisen auf die Nummern in der Fotoliste.

Wie stark die Ruine verschüttet und mit Bäumen und Gestrüpp bewachsen war, veranschaulicht eine Aufnahme aus dem Bereich des Halsgrabens im Westen mit Blick auf das Burgtor vom 26. August 1961 (028). Vermutlich nur wenige Tage später entstand eine weitere Aufnahme, die den nordwestlichen Bereich der Kernburg und das Tor „nach der Reinigung“ zeigt, wo also als erstes der Bewuchs entfernt wurde (032).

Die Freilegung des Halsgrabens erfolgte sodann sehr zügig, wie eine Aufnahme vom 9. September 1961 belegt, auf der die äußere Ringmauer im westlichen Grabenbereich schon vollständig freigelegt ist – das Grabengebäude ist allerdings noch nicht erfasst worden, wohl aber die Aussparung für die Zugbrücke (036 bis 038).

Im darauffolgenden Jahr, 1962, wurde dann das Grabengebäude freigelegt, dessen Mauerwerk bis über das Niveau von zwei Lichtöffnungen erhalten war, wobei der Bestand nach Westen zu niedriger wird (049 u. 053). Deutlich erkennbar ist allerdings auch, wie schlecht der Erhaltungszustand selbst der aufrechtstehenden Mauerteile streckenweise war, wie ein Bild des Nordwestturmes belegt (055). Ein Foto vom 1. September 1962, welches den Blick vom Bergfried über die Hauptburg zum Halsgraben wiedergibt, zeigt, dass auf dem Burgplateau selber bis zu diesem Zeitpunkt kaum Freilegungen stattgefunden haben; einzig geringe Mauerreste des Hauptgebäudes sind zu sehen (060). Beeindruckend ist jedoch die – heute aufgrund der Brücke kaum mehr erkennbare – Aussparung für die Zugbrücke mit dem darüber anstehenden Fels (061).

Wie stark das Mauerwerk in Verfall befindlich war wird erneut an einer Serie von Fotos deutlich, die den nordwestlichen Grabenturm zeigen, dessen obere Mauerlagen nur noch aus locker aufeinander liegenden Steinen bestehen; auch die sogenannte Schießscharte ist eigentlich kaum noch als solche erkennbar (063, 065, 066). Von der nördlichen Ringmauer haben sich hingegen noch mannshohe Reste erhalten (068).

In den folgenden Monaten baute man das Grabenbauwerk inklusive Nordwestturm und auf das Burgplateau führender Treppe offenbar von Grund auf neu, wie einige Aufnahmen aus dem Oktober 1962 belegen (070, 078, 079, 080).

Teile der nördlichen Ringmauer waren völlig verstürzt und kaum mehr als solche erkennbar (084).

Äußerst beeindruckend ist eine Aufnahme von Nordwesten aus dem Mai 1963, die die Burg aus der auch heute noch als Fotostandpunkt beliebten Richtung zeigt (092). An dieser Aufnahme wird klar, welchen enormen Umfang die Wiederaufbaumaßnahmen der 1960er Jahre hatten.

Eine weitere Aufnahme zeigt Gewölbereste des Hauptgebäudes der Burg (100), doch leider bricht hier die Fotosammlung ab, so dass gerade für den Innenbereich aufgrund des vorliegenden Materials keine weiteren Aussagen mehr getroffen werden können.

Eine weitere wichtige Quelle zu den Freilegungsarbeiten stellt ein Film aus den Beständen der Firma Siegfilm in Netphen dar, der während der Arbeiten gedreht wurde. Aus diesem Film, der vermutlich aus dem Jahr 1963 oder 1964 stammt, wurden für den vorliegenden Bericht einige Standbilder verwendet.

Gut erkennbar ist das bereits sanierte Mauerwerk im Bereich der provisorischen Holzbrücke, die über den Halsgraben führte (Standbild Film 1, Minute 3:05). Der Bergfried der Ginsburg war zum Zeitpunkt der Aufnahmen lediglich im Inneren etwa mannshoch ausgegraben, und die Mauerstärke war erkennbar, jedoch hatte noch keine Freilegung des Außenmauerwerks stattgefunden (Standbild Film 1, Minute 3:23). Für die Frage nach dem Umfang der noch erhaltenen originalen Mauersubstanz sind einige Sequenzen von der nördlichen Ringmauer und dem Grabengebäude besonders aufschlussreich: Hier ist deutlich erkennbar, dass die Ringmauer auf der Nordseite unmittelbar im Anschluss an den Nordwestturm bestenfalls noch in geringem Ausmaß erhalten war, und diese Substanz vermutlich zusätzlich dadurch zerstört wurde, dass man hier eine Rampe angelegt hat, über die man den Schutt vom Burghügel in den Graben geschüttet hat (Standbilder Minuten Film 1, 4:07, 5:16; Film 3, 6:13, 6:35). Die Aufmauerung des Nordwestturmes ist sukzessive fortgeführt worden, aber noch nicht abgeschlossen (Standbild Film 1, Minute 4:07).

Der unter heutigen Gesichtspunkten unsachgemäße Einsatz eines Kleinbaggers kann an diversen Aufnahmen nachvollzogen werden (Standbild Film 1, Minute 4:40).

Fotos aus der späteren Phase der Freilegungen und des Wiederaufbaus sollen angeblich existieren, sind dem Ginsburg-Verein bislang allerdings noch nicht konkret bekannt oder zugänglich gemacht worden.

Ergänzend zu den Plänen und Fotos konnte bei archäologischen Untersuchungen im Jahre 2020 festgestellt werden, dass weite Teile des Außenwalls in den 1960er neu aufgeschüttet wurden. Allerdings hat an derselben Stelle auch vorher hier ein Wall bestanden, wie ein Ausgrabungsbericht aus dem Jahre 1931 zeigt. Ebenso ist ein Teil des Vorburgplateaus im Bereich des Museumspavillons ausweislich der archäologischen Funde in den 1960er Jahren wieder aufgeschüttet worden, wobei hier unklar ist, ob damit ein historischer Zustand nachempfunden wurde oder ob das Plateau vollständig neu ist.

 

Das Fazit aus den oben beschriebenen Quellen ist letztlich eher ernüchternd: Zum einen fehlt die Dokumentation für weite Teile des Innenbereiches der Burg, die zeitlich erst nach den vorliegenden Plänen, Fotos und dem Film freigelegt und gesichert wurden. Zum anderen ist – wie schon angemerkt – bei den Plänen offenbar auch Mauerwerk eingetragen, welches nicht mehr Originalbestand ist sondern wieder aufgemauert wurde. Genaue Angaben lassen sich mithin nur für Bereiche im Westen der Burg machen: Die äußere Ringmauer im Bereich des Halsgrabens scheint noch in weiten Teilen original zu sein, während das Grabengebäude sich offenbar in so desolatem Zustand befunden hat, dass dieses abgetragen und von Grund auf neu errichtet wurde. Ob dies auch für das nördlich anschließende, von den Ausgräbern als „Nordbastion“ bezeichnete Gebäude gilt, muss offen bleiben. Tatsache ist jedenfalls, dass im Bereich nördlich des Grabengebäudes die Außenmauern zumindest nicht in der heutigen Höhe erhalten waren. Auch von dem turmartigen Gebäude unmittelbar neben dem inneren Burgtor waren nur noch Grundmauern und Ansätze der Strebepfeiler vorhanden. Der Befund deutet darauf hin, dass hier das originale Mauerwerk neu verfugt und sodann weiter aufgemauert wurde. Der runde Bergfried war in seinen unteren Mauerlagen noch etwa zwei Meter hoch erhalten, doch scheint man diese vor dem Bau des Aussichtsturms (aus statischen Gründen?) abgetragen zu haben, denn nur so erklärt sich, dass man erst kurz vor Beginn des Turmbaus die darunter befindlichen Mauerreste entdeckt hat, die Gerhard Scholl einem rechteckigen Vorgängerturm zuschreiben möchte.

Zusammenfassend muss man konstatieren, dass der noch erhaltene Originalbestand der Ginsburg eher überschaubar ist, und weite Teile des heute sichtbaren Mauerwerks den Maßnahmen der 1960er Jahre zuzuordnen sind, und ebenfalls nicht klar ist, ob die aufgemauerten Teile alle einer Bauphase entstammten bzw. überhaupt gleichzeitig existierten.

Chronologische Zusammenstellung der Arbeiten

  • 1961
    Juli Beginn der Freilegungsarbeiten. Nach der Anlage eines Zufahrtsweges konzentrieren sich die Arbeiten auf die Entfernung von Bewuchs und Gestrüpp, die Freilegung des Inneren des noch erkennbaren Bergfriedfundamentes sowie der Entschuttung des Halsgrabens im Westen.

  • 1962
    Die Entschuttung und Freilegung des Halsgrabens im Westen schreitet voran. Hier werden die Ringmauer und das Grabengebäude teilweise freigelegt und Ausbesserungsarbeiten am Mauerwerk beginnen. Dabei wird auch die Zisterne im Grabengebäude entdeckt, die fortan als Brunnen bezeichnet wird. Beginn der Freilegung der nördlichen Ringmauer. Es wird eine Holzbrücke über den Halsgraben angelegt und eine Bauhütte errichtet.

  • 1963
    Die Entschuttung des Burggrabens schreitet auch an den anderen Seiten voran, und der Stumpf des Bergfrieds wird weitgehend freigelegt, ebenso das so genannte Ostbollwerk.

  • 1964
    Der als Langhaus (Palas) und Burghaus bezeichnete Gebäudeteil an der Nordseite des Burghofes wird freigelegt, die Mauern werden gesichert und ein im Befund nachgewiesenes Gewölbe im Burghaus wieder errichtet. Entdeckung der Zisterne im Burghof.

  • 1965
    Ausbesserungen und vermutlich auch Neuaufschüttung von Teilen des Walls. Das Gewölbe des Langhauses wird freigelegt und neu errichtet. Ausbesserungs- und Wiederaufbauarbeiten an der Ringmauer im Norden bis zum Ostbollwerk. Die Arbeiten in der Vorburg beginnen.

  • 1966
    Weiterhin Entschuttungen im Burggraben. Sicherung und Wiederaufbau Die Säuberung des Ostbollwerks und der östlichen Ringmauer bis zur Südostecke der Burg. Sanierung und Wiederaufbau der den Burghof südlich begrenzenden Mauer und Freilegung der südlichen Ringmauer. In der Vorburg werden die Reste eines steinernen Gebäudes, der heutigen Gaststätte, entdeckt.

  • 1967
    Weiterhin Freilegungsarbeiten im südlichen Burggraben und am Gebäude in der  Vorburg. Als man die Reste des runden Bergfrieds abträgt, um ein Fundament für den geplanten Aussichtsturm anzulegen, stößt man darunter auf ältere Mauerreste. Diese werden als quadratischer Turm von 8 x 8 m Seitenlänge interpretiert. Der heute als Bergfried angesprochene Aussichtsturm wird errichtet.
  • 1968
    Fertigstellung und Einweihung des Aussichtsturmes.

Abbildungen

Planliste

P01 – Massplan 1:100, Architekt Jürgen Schulze, Dortmund, 1. Oktober 1961
P02 – Höhenplan 1:100, Architekt Jürgen Schulze, Dortmund, 1. Oktober 1961
P05 – Grundriss 1:100, Architekt Jürgen Schulze, Dortmund, 20. Oktober 1962
P06 – Grundriss 1:100, Freilegungsstand 15.1.1964, M. Jos. Thyssen, Netphen
P08 – Schaubild der Hauptburg, Freilegungsstand 15.1.1964, M. Jos. Thyssen, Netphen