Wilhelm von Oranien auf der Ginsburg 1568 und 1572
Dienstag, der 31. März 1568 wurde zum vielleicht wichtigsten Datum in der Geschichte der Ginsburg. Am Abend dieses Tages traf Wilhelm von Oranien, Graf zu Nassau, genannt „der Schweiger“, mit seinen Brüdern und weiterem Gefolge auf der Ginsburg ein. Hier berieten sie sich bis zum 2. April, und trafen die letzten Vorbereitungen für einen Kriegszug zur Befreiung der Niederlande von der habsburgischen Herrschaft, der letztlich für die Geschichte Europas von großer Bedeutung sein sollte.
Über den genauen Inhalt der Besprechungen sind wir natürlich nicht informiert, wohl aber darüber, wie die versammelten Herren und ihr Gefolge verpflegt wurden, da sich die darüber erstellten Rechnungen erhalten haben.
Die Rechnung ist überschrieben: „Vertzeichnüs wes uffgangen zum G[insberg] und F[reudenberg] Ultima Martii, Prima, 2, 3 Aprilis Anno 1568“.
Auf der nachfolgenden Seite heißt es dann:
„Uff denn letztenn Martii Anno 1568 / ist der Hochgebornn mein gnediger Fürst und / Herr der Printzs zu Uranien sambt den / Wolgebornnenn und Ernvestenn Grafen Johan / und G[rafen] Ludwigen, gebrudern und / Grafen zu Nassauw Catzenelnbogen / und Georgen von H / gegen abentt zum G[insberg] ankommen, / und volgende Personenn und Pferde gehabt,“. Es folgt die Aufzählung der anwesenden Personen, und auf der nächsten Seite wird weiter erläutert: „Denn 1. Aprilis A[nno] 68 / Seint gleichfals diese hiroben gemelte / Personen zum G[insberg] gewesen / und ist m[ein] g[nediger] Herr [Graf Adolf] / sambt 4 Personen und Pferden auch ankommen, / (…) / Uff den 2. Aprilis seintt / Ire F[ürstliche] und [Gräfliche] G[naden] / zum F[reudenberg] ankommen / (…)“.
Allein die konsumierte Menge an Wein scheint auf den ersten Blick beachtlich, denn beispielsweise für den Abend des 31. März sind hier verzeichnet „Vor die Herrenn den abent 5 [Maß] / Bere (d.h. Beerenwein, der Autor) und Burgundisch Wein 1 ½ [Maß] / Denn Junckern und Dienern 9 [Maß] / Knechten 10 [Maß] / Kochen, zu verkochen 2 ½ [Maß]“. Auch in den folgenden Tagen wurden ähnliche Mengen an Wein ausgeschenkt, und von Dillenburg, Hilchenbach und Netphen wurden Speisen herangeschafft, so unter anderem ein Viertel Ochse, eine Speckseite, gedörrtes Rindfleisch, Stockfische, Rheinfische und Heringe, Eier, Burgunderwein und Beerenwein sowie ein Schwein zum Braten.
Die gesamte Zeit über waren etwa 30 Mann in Begleitung des Prinzen auf der Ginsburg anwesend, zusätzlich zu dem üblichen Personal der Burg, welches allerdings nicht sehr zahlreich gewesen sein dürfte.
Aus einem Inventar, also einem Verzeichnis der auf der Ginsburg vorhandenen Gegenstände, aus dem Jahr 1575 ergeben sich zwei weitere interessante Details: Im Bestand der Ginsburg befanden sich zu dieser Zeit auch zwei hohe Bierkannen aus der Kellerei zu Siegen, und eine weitere, dritte Kanne war während der Anwesenheit Wilhelm von Oraniens sieben Jahre zuvor abhandengekommen: „Zwo hohe byer kandellen, deren drey gewesen, sind aus der Kellerei zu Siegen dahin kommen. Ist aber eine, als m(ein) g(nädiger) Fürst und her Prinz zu Vranien vfm Ginsberg gewesen, verloren“.
Ferner befanden sich auf der Burg 24 alte schadhafte Leinwandtücher. Ursprünglich waren es laut Inventar 40 Stück, doch die anderen 16 sind während der Anwesenheit Wilhelms von Oranien 1568 zu Küchentüchern zerrissen worden: „Vierzig alter, boser Leilach (schlechte Betttücher), deren sind noch 24 vorhanden, die anderen seind, als der Her Prinz vfm Ginsberg gewesen, zu kuchen duchern zerrissen“.
Der – nicht immer zuverlässige – Chronist Johann Textor berichtet in seiner 1617 in Herborn erschienen Chronik: „Im jahr 1568 ist / uf stetig anhalten der Holländer / und vieler ehrliebender patrioten in den Niderlanden / der erste Zug / von dem Herrn Printzen etc. uf dem Hause Ginßberg in der Herrschaft Sigen / alda alle die Obristen zusammen kommen / in geheim berathschlagt / und hernacher auch effectuirt worden.“.
Ob Wilhelm von Oranien 1568 seine Truppen auf der Ginsberger Heide gesammelt hat, wie in der Literatur teilweise vermutet, scheint eher zweifelhaft. Belege gibt es keine, und die Anwerbung und Versorgung eines solchen Heeres dürfte auf der relativ abgelegenen Ginsberger Heide, auf der sich lediglich der zur Burg gehörige Wirtschaftshof befand, eher schwierig gewesen sei.
1572 sammelte Wilhelm von Oranien erneut ein Heer, um einen zweiten Feldzug in die Niederlande zu beginnen. Diesmal lassen die überlieferten Dokumente jedenfalls die Vermutung zu, dass die Sammlung auf der Ginsburg stattgefunden haben könnte, denn der kurkölnische Drost (Amtmann) im Amt Bilstein, Kaspar von Fürstenberg, berichtet in seinem Tagebuch Folgendes:
- Juni 1572: „Von Olpe schreiben bekommen von wegen des anstehenden durchzugs und beantwortet. (…)“.
- Juni: „(…) Das ganze ampt beeinander bescheiden umb des printzischen zugs willen. (…)“.
- Juni: „Der amptman zu Segen, Henrich von Holdingkhausen, bei mir gewesen, und schreiben an mich von wegen des hern prinzen zu Uranien, den durchzug belangendt, mitpracht. (…)“.
- Juni: Das ganze ampt beieinander gehabt, notroft zum durchzug bestalt und uf die dorfer die vom adel gelacht: Broich zu Brachthusen, Vogt zu Silbergh, Gunterman von Plettenbergh zu Welschenendest, Herman von Plettenbergh zu Rarbach. Die richter und gogreven des ampts Waldenbergh bei mir gehabt, mit denen auch einen abschiedt genommen.“.
- Juni: „(…) Das ampt widderumb uf die wagt verordnet, allerlei kuntschaft ausgeschickt. – Gegen den abent uf Welschenendest gezogen. Der amptman zu Segen, Holdinghausen, spade ein schreiben an mich gefertigt.“.
- Juni: Welschenendest: Des morgens frue den richter bei mir gehabt, alle sachen verordnet, darnacher uf Wenden gezogen. Des prinzen von Uranien wargenommen, daselbst ir furst(liche) g(naden) sampt dem kriegsvolke tractirt. Uf beger mit uf Drolßhagen gezogen, von vielerlei sachen geredt, und also meinen abschiedt mit gnaden genommen. Des abents zu Bilstein widder ankommen.“.
- Juli: „Bilstein: Mein amptsvolk ist verhutet, das es von dem durchzug im geringsten nicht beschedigt. (…)“.
Der zugehörige Briefwechsel zwischen Wilhelm von Oranien bzw. dem Siegener Amtmann Heinrich von Holdinghausen und Kaspar von Fürstenberg hat sich leider nicht erhalten, so dass auch hier der letzte Nachweis fehlt.
Einen Hinweis auf die Teilnahme von Siegerländer Söldnern könnte eine Schatzung aus dem Jahre 1572 geben, in der es zum Haus Alte Landstraße 9 heißt: „Schneider Henn ist verstorben – Johan sein jung ist nit binnen landte – Die Schmidthenn (erwähnt 1563 bis 1572) haben alles an sich genommen – Caspar Hart bewohnt jetzt das Haus.“.
Olaf Wagener
Literaturhinweise
Die Sonderrechnung zur Verköstigung Wilhelms von Oranien findet sich eingelegt in Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 190, Nr. 2107, fol. 134-151. Vgl. auch Friedhelm Menk, Geheime Verhandlungen auf der Ginsburg, in: Siegerland. Blätter des Siegerländer Heimatvereins e.V. Bd. 61, Heft 1 1984, S. 46-50.
Die Chronik von Textor ist nachgedruckt worden unter Johann Textor von Haiger, Nassauische Chronik, ND Kreuztal 1984 d. Ausgabe Herborn 1617.
Die Tagebücher des Kaspar von Fürstenberg sind ediert bei Alfred Bruns (Bearb.), Die Tagebücher Kaspars von Fürstenberg (Westfälische Briefwechsel und Denkwürdigkeiten 8 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 19), 2 Bde., Münster 1985, Bd. 1, S. 33-35.
Der Hinweise auf die Teilnahme von Siegerländer Söldnern findet sich bei Reinhard Gämlich, Haus- und Familiennamen in Allenbach, Grund, Lützel, Oechelhausen und Ruckersfeld (Beiträge zur Geschichte Hilchenbachs 19), Hilchenbach 2004, S. 19; freundlicher Hinweis von Reinhard Gämlich, Stadtarchiv Hilchenbach.